Samstag, 9. Januar 2010

Einzelgänger und Gruppen

07.01.2010

Einzelgänger und Gruppen



Soll ich, was dieses Thema betrifft, über Goa oder über Mathematik schreiben ? Mal wieder so eine typische Rabenfrage ?

Nehmen wir Goa ! Darüber schreiben, wo sich hier die Einzelgänger mit was-auch-immer beschäftigen, oder an welchen Stellen sich die Grüpp­chen weswegen zusammenfinden ? Ach, gibt es ja alles schon ! Das ist alles großenteils sogar schon fernsehgerecht für Biedermeiers Wohnstube zum abendlichen Konsum nach der schmack­haften Haus­mannskost aufbereitet worden. Aber wen interessieren schon diese tausendmal gesehenen Berichte von irgendwelchen Abenteuerreisen nach Goa oder weiß-der-Teufel sonst wohin ? Hardy Krüger erzählt das viel lustiger als ich und hat sich auch schon in jahrzehnte­langer verdienstorientierter Arbeit damit/dafür einen Namen gemacht.

Oder nehmen wir die Mathematik ? Wie viele Einheiten, - ich meine etwa Grundbausteine, - man mindestens braucht, um einen funktionsfähigen Automaten zusam­men­zusetzen ? Automaten ? Automaten stehen doch in den Fabriken und nehmen die Arbeitsplätze weg. Und schon frage ich weiter: Wie viele solche Einheiten nötig sind, damit Rückkopplung, - worauf z.B. Nachdenken basiert, - zustande kommt ? Das ist doch eine Frechheit, nach dem Abendessen noch zu verlangen, über die Zusammenhänge von Rückkopplung und Nach­denken nachdenken zu sollen ! Oder wie viele Einheiten der genetische Code eines solchen kleinen Automaten haben muss, damit so etwas wie Intelligenz oder Vermehrung auftreten kann ? Verdammt noch mal, - das ist doch eine Frechheit, uns mit Automaten vergleichen zu wollen ! Nach dem Abendessen soll einem doch keiner mehr mit Mathe­matik oder weiß-der-Teufel mit was für noch so einem Quatsch kommen.

Was oder warum denn überhaupt noch schreiben ? Soll ich gar nicht mehr schreiben, oder nachge­ben und ganz bescheiden über Goa und die hier vorgefundene Mikrosoziologie an der Beach von Candolim oder zu Füßen der Hindu-Tempel berichten ? Zähneknirschend werde ich letzteres tun, doch ich warne bereits vor dem dann Folgenden. Die Angelegenheit ist aus meiner Outsider-Perspektive weniger erfreulich, als man/manche/frau denken mag. Ich nehme als Beispiel die Beach, weil ich dort mehr Zeit verbracht und die Situation genauer kennen gelernt habe, aber bei den Touristenattraktionen ist das im Prinzip ähnlich.

Die Beach-Soziologie besteht aus zwei Teilen: erstens dem Strandleben mit gelegentlicher Befeuchtung im Meer, und zweitens den Shacks als sozialen Treffpunkten mit gelegentlicher Nahrungseinnahme.

Zu Unterpunkt 1: Wie überall gibt es am Strand Individuen, hier meist Individualisten genannt, welche sich meistens in unmittelbarer Nähe des wässrigen Elementes ansiedeln. Sie bestehen aus zwei Teilen: erstens - ja, soll ich zuerst die Männer oder zuerst die Frauen nennen ? - und zweitens den Frauen. Bei richtigen Rezeptorverhältnissen (siehe Wikipedia) findet Paarbildung statt. Rezeptoren sind aber komplizierte Dinge und längst nicht alles, sogar nur sehr wenig, wird offengelegt. Um nur einen kleinen Eindruck zu geben, was alles eine Rolle spielt: Körpergröße, Bauchumfang, Haarfarbe, Augenfarbe, Hautbeschaffenheit, Haarwuchs, Haltung, Beweglichkeit, Muskelbildung, Fettansatz, und um die wichtigsten körperlichen Eigenschaften, nur die äußeren, abzuschließen, noch ein schüchterner Hinweis auf die sekundären, aber in der Vorstellung von vielen höchst primären Geschlechtsmerkmale; sodann aber noch die lange, lange Skala von nur schwer ersichtlichen Merkmalen der Umweltprägung durch Herkunft (Unterunterpunkt 1 ist die Familie, sodann der Herkunftsort, drittens „der“ Beruf, und dann gewiss noch weitere Punkte; die Anführungszeichen sind natürlich ein diskreter, aber arroganter Hinweis darauf, dass solch ein schräger Typ wie ich ein halbes Dutzend Berufe hat).

An der in meinen trockenen Abhandlungen einmaligen Länge des Absatzes erkennt man, wie komplex die Sache ist. Es dürfte daraus verständlich sein, dass neue Paarbildung unmittelbar am Meer nur selten eintritt. Wegen der geringen Bekleidung ist die Nichtkompatibilität vieler Rezepto­ren sofort ersichtlich. Außerdem behindern in Goa der nicht unerhebliche und geräusch­volle Wel­len­schlag und die den Geist vernebelnde Sonneneinstrahlung sowie Sprachprobleme den üblichen Vorgang. Da ferner die meisten hier sich Herumtreibenden diese Behinderung entweder sich nicht bewusst machen oder nicht zugeben wollen, wird nur wenig Kontakt gesucht. Nähe­rer Kontakt wird abgelehnt, was durch übermäßige Hingabe an die kräftige Sonneneinstrahlung bei geschlossenen Augen kundgetan oder kompensiert wird.

Wer mich kennt, den wird es nicht verwundern, dass das Alter als wichtiger Faktor überhaupt nicht erwähnt wird. Über diese Frage bestehen so grundlegende Diskrepanzen, über welche ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, dass es sinnlos erscheint, weiter darüber zu reden. Dieses Tabu wurde angeblich nur einmal von einer gewissen Julia an einem abgelegenen See gebrochen, sonst scheinbar nirgend­wo. Die Strandleute in Goa haben davon natürlich keine Ahnung und reagieren gegen Unmenschen mit größerem Altersunterschied gnadenlos.

Ich vergaß zu sagen, dass es zwischen den Einzelgängern nahe am Wasser und den Shacks noch eine Zwischenreihe gibt, die trotz ihrer (Verzeihung, wenn ich mich sehr subjektiv äußere !) Lang­weiligkeit nicht vergessen werden sollte. Dort stehen Holzliegen, auf denen sich Pärchen und Fami­lien, also Leute mit Phobien vor Einzelgängern, breit machen. Sie kommunizieren, von seltenen Aus­nahmen abgesehen, nur untereinander. Jeder von ihnen meint natürlich, eine solche Ausnahme zu bilden, aber das scheint mir eine freche Lüge zu sein.

Zur Historie dieser Gruppen ist folgendes zu sagen. Noch vor einigen Jahren sollen diese sich vor allem aus Sannyasins, Hippies und Kiffern (womit alle Arten von Drogenab­hängigen gemeint sind) zusammengesetzt haben. Diese drei Urgruppen am Strande von Candolim sind ver­schwunden. Jetzt lässt sich das Beachpeople nur noch nach Nationalitäten unterscheiden. Es gibt kaum Querverbin­dungen zwischen den einzelnen, im wesentlichen nach Sprache sortierten Gruppen.

Um zu zeigen, wie sich innerhalb der Nationalitäten die Verhältnisse verschoben haben, nur kurz zwei Zahlen aus der zu Jahresende veröffentlichten Statistik: In Goa befinden sich etwa 1400 deutsche Touristen, aber zum Beispiel über 25000 russische. In Candolim ist der Unterschied nicht ganz so krass, woanders dafür noch umso mehr. Die englischsprachigen Touristen (etwa zur Hälfte Engländer, je ein Viertel US-Amerikaner und Übrige, darunter Australier, Südafrikaner) tun sich natürlich hinsichtlich der Sprache leichter und haben deswegen noch die meisten Kontakte. Sie grüßen Leute aus anderen Ländern sehr freundlich und zeigen sich interessiert. Am anderen Ende der Skala liegen die meisten Russen. Sie reden mit niemandem, grüßen nicht und interessieren sich ausschließlich für alle Arten von Business. Es gibt jedoch unter ihnen eine kleine Gruppe, die sich genau umgekehrt verhält, - eine klare Folge der Umwälzungen in jenem Lande. Diese Teilgruppe spricht fließend mindestens eine Fremdsprache, ist sehr aufgeschlossen und kommt immer mit einem munteren „Hallo“ daher. Die Leute aus den romanischen Ländern liegen irgendwo dazwi­schen und reden hauptsächlich über das Essen.

Und die Inder ? Ja, das ist ein ganz spezieller Fall. Sie tauchen hier nur zur Urlaubszeit am Jahres­ende in Massen auf. Im Prinzip verhalten sie sich ähnlich wie die Russen, auch was einen kleinen Teil von aufgeschlossenen Menschen betrifft. Doch ihr wesentliches Charakteristikum hier am Meer ist ihr Badeverhalten, das dem europäischen diametral zuwiderläuft. Während die Goaner überhaupt nicht baden und nur zum Fischen an den Strand kommen, und während die meisten der dunkelhäu­ti­gen Händ­ler, die dort bunte Stoffe oder andere Manufakturartikel verkaufen und meistens aus der Gegend um Hyderabad stammen, zum Meer ebenfalls ein sehr gestörtes Verhältnis haben, wagen sich die Großstadt-Inder bereits ins Wasser, jedoch meist „normal“ bekleidet, also ohne Badebe­klei­dung, und maximal allenfalls bis zum Bauchnabel. Nur eine kleine Minderheit weicht davon ab, die Weiblichkeiten oft in sehr schöner Badekleidung, die Männer häu­fig in für unser Gefühl eher ordi­nä­rer Kostümierung. Entsprechend verhalten sich Weiblein und Männlein auch völlig verschieden, - die Frauen sehr zurückhaltend und die Männer nicht selten aufdringlich. Schwimmen können fast alle nicht.

Und endlich der Unterpunkt 2, das „soziale“ Leben in den Shacks: Dieses hat sich mit dem Eintref­fen des großen Touristenstroms zum Jahresende ebenfalls völlig verändert, - ­nicht nur das Leben in den Shacks, sondern auch die Shacks selber. Während sich „mein“ Shack bis zum 15. Dezem­ber oben auf den Dünen befand, wo ein absolut amüsantes kontaktreiches Leben herrschte, war er buch­stäblich über Nacht in den oberen Strandbereich verlegt worden. In bienenemsiger, großenteils nachts durchgeführter Arbeit entstand in 2 -3 Tagen ein geräumiges Gebäude aus Bambusstangen, Palmenblättern und einigem Accessoire, beispielsweise einer in wenigen Stunden mit Schläuchen und Drähten geschaffenen Wasser- und Stromversorgung. Außenherum wurde ein Girlande aus nachts hübsch aussehenden Lämpchen gehängt, Lampions baumelten von der Decke, und die neue Küche produzierte auf Anhieb all die auf der durchaus umfangreichen Speisekarte vermerkten Gerichte. Das war schon eine erstaunliche logistische Leistung. Kaum aber stand dieser neue Shack und funktionierte nahezu perfekt, da wurde von demselben Leuten gleich daneben auf der anderen Seite des Durchgangs­weges zur Beach noch ein zweiter fast identischer solcher Shack errichtet, wiederum in 2 – 3 Tagen und ähnlich ausgestattet.

Alles wunderschön, doch der Reiz des alten Shacks ist völlig dahin. Touristenmassen bevölkern nun alle beide Shacks, die, obwohl sie viel größer der frühere sind, von derselben Zahl von Bedienungs­kräften wie bisher versorgt werden. Diese stammen ziemlich ausnahmslos aus Nepal und stampfen etwa 15 Stunden am Tag unermüdlich und eigentlich immer freundlich durch den Sand, der den Boden bildet, - genauso wie vermutlich in ihrer Heimat durch den Schnee. Sie sprechen nicht Kon­kani, sondern außer Nepalesisch recht gut Englisch und Hindi, und manche schnappen in unglaub­licher Schnelligkeit auch für sie relevante Worte aus vielen anderen Sprachen auf. Sie arbeiten hier hart sechs Monate im Jahr, die übrige Zeit verbringen sie in ihrer Heimat.

Die Touristen bilden kleine oder größere Reisegruppen, jeweils aus ihrem eigenen Land, lassen sich dauernd neue Leckereien auf ihren Teller packen, und sehen selten über ihren Tellerrand hinaus. Die Italiener reden pausenlos über das Essen und erzählen damit zusammenhängende Geschichten. Die Russen dagegen kennen kein anderes Thema als ihr Business, wobei altersmäßig streng einheitliche Männergruppen vorherrschen. Sie entfalten vor allem im Baugewerbe eine nicht immer legale Tätig­keit. Kürzlich wurden eine Reihe nicht legaler russischer Gebäude von den Goanern unter star­kem Polizeischutz einfach wieder abgerissen. Doch die kleinere Zahl russischer Frauen zieht, wie immer wieder zu mir durchdringt, oft sehr viel geschickter die Fäden, vor allem als Managerin­nen oder Reiseleiterinnen im Tourismus.

Allen gemeinsam aber ist ihr geringes Interesse an Menschen aus anderen Ländern. Da lässt so ein ans Umherflattern gewöhnter Rabe schon traurig den Kopf hängen. Er wird nicht mehr, wie früher in dem Shack oben auf den Dünen, zu Anderen an den Tisch gebeten, kann und will sich auch nicht einfach selbst zu diesen geschlossenen Touristengruppen setzen, und zieht sich zurück.

Er kann sich natürlich an einen anderen Futterplatz begeben, worüber noch in der folgenden letzten Geschichte aus Goa zu erzählen ist. Doch ebenso gern überlegt er sich allein in seinem Zimmer, wie ähnlich eigent­lich die einfachsten Automaten, die man mathematisch beschreiben kann, mit den Touristengruppen sind. Ich will mich hier nicht über Einzelheiten wie die Zahl der nötigen Erkennungselemente (Re­zep­toren) in den einzelnen Grundelementen und über die nötige Zahl von Grundelementen, damit sich ein Automat ergibt, auslassen. Aber insgesamt entsteht sehr schnell die ziemlich ernüch­ternde Einsicht, dass auch die Menschen in einer solchen einfachen Umgebung sehr einfache „Ele­mente“ darstellen, die sich ab einer gewissen Zahl zu Gruppen zusammenschlie0en, welche wie Automaten agieren.

Sehr einfache Elemente und Automaten haben auch sehr einfache Rückkopplungsmechanismen. Wenn der Rabe sich mit seinen einigermaßen sprachgeschulten Ohren, welche zwar leider nicht mehr ganz so gut wie einst im Mai funktionieren, anhört, worüber dort geschnattert wird, oder wenn er mit seinen in der Dämmerung insbesondere beim Gegenlicht der vielen Lämpchen im Shack nicht mehr ganz so funktionsfähigen Augen die gleichförmig gestylten Gruppen anschaut, dann kann er nur seine Federn schütteln und davonfliegen. Ja, nach Thailand !



Soll ich, was dieses Thema betrifft, über Goa oder über Mathematik schreiben ? Mal wieder so eine typische Rabenfrage ?

Nehmen wir Goa ! Darüber schreiben, wo sich hier die Einzelgänger mit was-auch-immer beschäftigen, oder an welchen Stellen sich die Grüpp­chen weswegen zusammenfinden ? Ach, gibt es ja alles schon ! Das ist alles großenteils sogar schon fernsehgerecht für Biedermeiers Wohnstube zum abendlichen Konsum nach der schmack­haften Haus­mannskost aufbereitet worden. Aber wen interessieren schon diese tausendmal gesehenen Berichte von irgendwelchen Abenteuerreisen nach Goa oder weiß-der-Teufel sonst wohin ? Hardy Krüger erzählt das viel lustiger als ich und hat sich auch schon in jahrzehnte­langer verdienstorientierter Arbeit damit/dafür einen Namen gemacht.

Oder nehmen wir die Mathematik ? Wie viele Einheiten, - ich meine etwa Grundbausteine, - man mindestens braucht, um einen funktionsfähigen Automaten zusam­men­zusetzen ? Automaten ? Automaten stehen doch in den Fabriken und nehmen die Arbeitsplätze weg. Und schon frage ich weiter: Wie viele solche Einheiten nötig sind, damit Rückkopplung, - worauf z.B. Nachdenken basiert, - zustande kommt ? Das ist doch eine Frechheit, nach dem Abendessen noch zu verlangen, über die Zusammenhänge von Rückkopplung und Nach­denken nachdenken zu sollen ! Oder wie viele Einheiten der genetische Code eines solchen kleinen Automaten haben muss, damit so etwas wie Intelligenz oder Vermehrung auftreten kann ? Verdammt noch mal, - das ist doch eine Frechheit, uns mit Automaten vergleichen zu wollen ! Nach dem Abendessen soll einem doch keiner mehr mit Mathe­matik oder weiß-der-Teufel mit was für noch so einem Quatsch kommen.

Was oder warum denn überhaupt noch schreiben ? Soll ich gar nicht mehr schreiben, oder nachge­ben und ganz bescheiden über Goa und die hier vorgefundene Mikrosoziologie an der Beach von Candolim oder zu Füßen der Hindu-Tempel berichten ? Zähneknirschend werde ich letzteres tun, doch ich warne bereits vor dem dann Folgenden. Die Angelegenheit ist aus meiner Outsider-Perspektive weniger erfreulich, als man/manche/frau denken mag. Ich nehme als Beispiel die Beach, weil ich dort mehr Zeit verbracht und die Situation genauer kennen gelernt habe, aber bei den Touristenattraktionen ist das im Prinzip ähnlich.

Die Beach-Soziologie besteht aus zwei Teilen: erstens dem Strandleben mit gelegentlicher Befeuchtung im Meer, und zweitens den Shacks als sozialen Treffpunkten mit gelegentlicher Nahrungseinnahme.

Zu Unterpunkt 1: Wie überall gibt es am Strand Individuen, hier meist Individualisten genannt, welche sich meistens in unmittelbarer Nähe des wässrigen Elementes ansiedeln. Sie bestehen aus zwei Teilen: erstens - ja, soll ich zuerst die Männer oder zuerst die Frauen nennen ? - und zweitens den Frauen. Bei richtigen Rezeptorverhältnissen (siehe Wikipedia) findet Paarbildung statt. Rezeptoren sind aber komplizierte Dinge und längst nicht alles, sogar nur sehr wenig, wird offengelegt. Um nur einen kleinen Eindruck zu geben, was alles eine Rolle spielt: Körpergröße, Bauchumfang, Haarfarbe, Augenfarbe, Hautbeschaffenheit, Haarwuchs, Haltung, Beweglichkeit, Muskelbildung, Fettansatz, und um die wichtigsten körperlichen Eigenschaften, nur die äußeren, abzuschließen, noch ein schüchterner Hinweis auf die sekundären, aber in der Vorstellung von vielen höchst primären Geschlechtsmerkmale; sodann aber noch die lange, lange Skala von nur schwer ersichtlichen Merkmalen der Umweltprägung durch Herkunft (Unterunterpunkt 1 ist die Familie, sodann der Herkunftsort, drittens „der“ Beruf, und dann gewiss noch weitere Punkte; die Anführungszeichen sind natürlich ein diskreter, aber arroganter Hinweis darauf, dass solch ein schräger Typ wie ich ein halbes Dutzend Berufe hat).

An der in meinen trockenen Abhandlungen einmaligen Länge des Absatzes erkennt man, wie komplex die Sache ist. Es dürfte daraus verständlich sein, dass neue Paarbildung unmittelbar am Meer nur selten eintritt. Wegen der geringen Bekleidung ist die Nichtkompatibilität vieler Rezepto­ren sofort ersichtlich. Außerdem behindern in Goa der nicht unerhebliche und geräusch­volle Wel­len­schlag und die den Geist vernebelnde Sonneneinstrahlung sowie Sprachprobleme den üblichen Vorgang. Da ferner die meisten hier sich Herumtreibenden diese Behinderung entweder sich nicht bewusst machen oder nicht zugeben wollen, wird nur wenig Kontakt gesucht. Nähe­rer Kontakt wird abgelehnt, was durch übermäßige Hingabe an die kräftige Sonneneinstrahlung bei geschlossenen Augen kundgetan oder kompensiert wird.

Wer mich kennt, den wird es nicht verwundern, dass das Alter als wichtiger Faktor überhaupt nicht erwähnt wird. Über diese Frage bestehen so grundlegende Diskrepanzen, über welche ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, dass es sinnlos erscheint, weiter darüber zu reden. Dieses Tabu wurde angeblich nur einmal von einer gewissen Julia an einem abgelegenen See gebrochen, sonst scheinbar nirgend­wo. Die Strandleute in Goa haben davon natürlich keine Ahnung und reagieren gegen Unmenschen mit größerem Altersunterschied gnadenlos.

Ich vergaß zu sagen, dass es zwischen den Einzelgängern nahe am Wasser und den Shacks noch eine Zwischenreihe gibt, die trotz ihrer (Verzeihung, wenn ich mich sehr subjektiv äußere !) Lang­weiligkeit nicht vergessen werden sollte. Dort stehen Holzliegen, auf denen sich Pärchen und Fami­lien, also Leute mit Phobien vor Einzelgängern, breit machen. Sie kommunizieren, von seltenen Aus­nahmen abgesehen, nur untereinander. Jeder von ihnen meint natürlich, eine solche Ausnahme zu bilden, aber das scheint mir eine freche Lüge zu sein.

Zur Historie dieser Gruppen ist folgendes zu sagen. Noch vor einigen Jahren sollen diese sich vor allem aus Sannyasins, Hippies und Kiffern (womit alle Arten von Drogenab­hängigen gemeint sind) zusammengesetzt haben. Diese drei Urgruppen am Strande von Candolim sind ver­schwunden. Jetzt lässt sich das Beachpeople nur noch nach Nationalitäten unterscheiden. Es gibt kaum Querverbin­dungen zwischen den einzelnen, im wesentlichen nach Sprache sortierten Gruppen.

Um zu zeigen, wie sich innerhalb der Nationalitäten die Verhältnisse verschoben haben, nur kurz zwei Zahlen aus der zu Jahresende veröffentlichten Statistik: In Goa befinden sich etwa 1400 deutsche Touristen, aber zum Beispiel über 25000 russische. In Candolim ist der Unterschied nicht ganz so krass, woanders dafür noch umso mehr. Die englischsprachigen Touristen (etwa zur Hälfte Engländer, je ein Viertel US-Amerikaner und Übrige, darunter Australier, Südafrikaner) tun sich natürlich hinsichtlich der Sprache leichter und haben deswegen noch die meisten Kontakte. Sie grüßen Leute aus anderen Ländern sehr freundlich und zeigen sich interessiert. Am anderen Ende der Skala liegen die meisten Russen. Sie reden mit niemandem, grüßen nicht und interessieren sich ausschließlich für alle Arten von Business. Es gibt jedoch unter ihnen eine kleine Gruppe, die sich genau umgekehrt verhält, - eine klare Folge der Umwälzungen in jenem Lande. Diese Teilgruppe spricht fließend mindestens eine Fremdsprache, ist sehr aufgeschlossen und kommt immer mit einem munteren „Hallo“ daher. Die Leute aus den romanischen Ländern liegen irgendwo dazwi­schen und reden hauptsächlich über das Essen.

Und die Inder ? Ja, das ist ein ganz spezieller Fall. Sie tauchen hier nur zur Urlaubszeit am Jahres­ende in Massen auf. Im Prinzip verhalten sie sich ähnlich wie die Russen, auch was einen kleinen Teil von aufgeschlossenen Menschen betrifft. Doch ihr wesentliches Charakteristikum hier am Meer ist ihr Badeverhalten, das dem europäischen diametral zuwiderläuft. Während die Goaner überhaupt nicht baden und nur zum Fischen an den Strand kommen, und während die meisten der dunkelhäu­ti­gen Händ­ler, die dort bunte Stoffe oder andere Manufakturartikel verkaufen und meistens aus der Gegend um Hyderabad stammen, zum Meer ebenfalls ein sehr gestörtes Verhältnis haben, wagen sich die Großstadt-Inder bereits ins Wasser, jedoch meist „normal“ bekleidet, also ohne Badebe­klei­dung, und maximal allenfalls bis zum Bauchnabel. Nur eine kleine Minderheit weicht davon ab, die Weiblichkeiten oft in sehr schöner Badekleidung, die Männer häu­fig in für unser Gefühl eher ordi­nä­rer Kostümierung. Entsprechend verhalten sich Weiblein und Männlein auch völlig verschieden, - die Frauen sehr zurückhaltend und die Männer nicht selten aufdringlich. Schwimmen können fast alle nicht.

Und endlich der Unterpunkt 2, das „soziale“ Leben in den Shacks: Dieses hat sich mit dem Eintref­fen des großen Touristenstroms zum Jahresende ebenfalls völlig verändert, - ­nicht nur das Leben in den Shacks, sondern auch die Shacks selber. Während sich „mein“ Shack bis zum 15. Dezem­ber oben auf den Dünen befand, wo ein absolut amüsantes kontaktreiches Leben herrschte, war er buch­stäblich über Nacht in den oberen Strandbereich verlegt worden. In bienenemsiger, großenteils nachts durchgeführter Arbeit entstand in 2 -3 Tagen ein geräumiges Gebäude aus Bambusstangen, Palmenblättern und einigem Accessoire, beispielsweise einer in wenigen Stunden mit Schläuchen und Drähten geschaffenen Wasser- und Stromversorgung. Außenherum wurde ein Girlande aus nachts hübsch aussehenden Lämpchen gehängt, Lampions baumelten von der Decke, und die neue Küche produzierte auf Anhieb all die auf der durchaus umfangreichen Speisekarte vermerkten Gerichte. Das war schon eine erstaunliche logistische Leistung. Kaum aber stand dieser neue Shack und funktionierte nahezu perfekt, da wurde von demselben Leuten gleich daneben auf der anderen Seite des Durchgangs­weges zur Beach noch ein zweiter fast identischer solcher Shack errichtet, wiederum in 2 – 3 Tagen und ähnlich ausgestattet.

Alles wunderschön, doch der Reiz des alten Shacks ist völlig dahin. Touristenmassen bevölkern nun alle beide Shacks, die, obwohl sie viel größer der frühere sind, von derselben Zahl von Bedienungs­kräften wie bisher versorgt werden. Diese stammen ziemlich ausnahmslos aus Nepal und stampfen etwa 15 Stunden am Tag unermüdlich und eigentlich immer freundlich durch den Sand, der den Boden bildet, - genauso wie vermutlich in ihrer Heimat durch den Schnee. Sie sprechen nicht Kon­kani, sondern außer Nepalesisch recht gut Englisch und Hindi, und manche schnappen in unglaub­licher Schnelligkeit auch für sie relevante Worte aus vielen anderen Sprachen auf. Sie arbeiten hier hart sechs Monate im Jahr, die übrige Zeit verbringen sie in ihrer Heimat.

Die Touristen bilden kleine oder größere Reisegruppen, jeweils aus ihrem eigenen Land, lassen sich dauernd neue Leckereien auf ihren Teller packen, und sehen selten über ihren Tellerrand hinaus. Die Italiener reden pausenlos über das Essen und erzählen damit zusammenhängende Geschichten. Die Russen dagegen kennen kein anderes Thema als ihr Business, wobei altersmäßig streng einheitliche Männergruppen vorherrschen. Sie entfalten vor allem im Baugewerbe eine nicht immer legale Tätig­keit. Kürzlich wurden eine Reihe nicht legaler russischer Gebäude von den Goanern unter star­kem Polizeischutz einfach wieder abgerissen. Doch die kleinere Zahl russischer Frauen zieht, wie immer wieder zu mir durchdringt, oft sehr viel geschickter die Fäden, vor allem als Managerin­nen oder Reiseleiterinnen im Tourismus.

Allen gemeinsam aber ist ihr geringes Interesse an Menschen aus anderen Ländern. Da lässt so ein ans Umherflattern gewöhnter Rabe schon traurig den Kopf hängen. Er wird nicht mehr, wie früher in dem Shack oben auf den Dünen, zu Anderen an den Tisch gebeten, kann und will sich auch nicht einfach selbst zu diesen geschlossenen Touristengruppen setzen, und zieht sich zurück.

Er kann sich natürlich an einen anderen Futterplatz begeben, worüber noch in der folgenden letzten Geschichte aus Goa zu erzählen ist. Doch ebenso gern überlegt er sich allein in seinem Zimmer, wie ähnlich eigent­lich die einfachsten Automaten, die man mathematisch beschreiben kann, mit den Touristengruppen sind. Ich will mich hier nicht über Einzelheiten wie die Zahl der nötigen Erkennungselemente (Re­zep­toren) in den einzelnen Grundelementen und über die nötige Zahl von Grundelementen, damit sich ein Automat ergibt, auslassen. Aber insgesamt entsteht sehr schnell die ziemlich ernüch­ternde Einsicht, dass auch die Menschen in einer solchen einfachen Umgebung sehr einfache „Ele­mente“ darstellen, die sich ab einer gewissen Zahl zu Gruppen zusammenschlie0en, welche wie Automaten agieren.

Sehr einfache Elemente und Automaten haben auch sehr einfache Rückkopplungsmechanismen. Wenn der Rabe sich mit seinen einigermaßen sprachgeschulten Ohren, welche zwar leider nicht mehr ganz so gut wie einst im Mai funktionieren, anhört, worüber dort geschnattert wird, oder wenn er mit seinen in der Dämmerung insbesondere beim Gegenlicht der vielen Lämpchen im Shack nicht mehr ganz so funktionsfähigen Augen die gleichförmig gestylten Gruppen anschaut, dann kann er nur seine Federn schütteln und davonfliegen. Ja, nach Thailand !